Ab jetzt wird aufgearbeitet
Fehlerkultur schützt: Wenn wir wollen, dass Gewaltschutz zukünftig wirkt, müssen wir herausfinden, warum er so oft versagt hat. Wir sind froh, dass der Landtag nun Aufarbeitung patriarchaler Tötungsdelikte beschlossen hat.
Fehlerkultur schützt: Wenn wir wollen, dass Gewaltschutz zukünftig wirkt, müssen wir herausfinden, warum er so oft versagt hat. Wir sind froh, dass der Landtag nun Aufarbeitung patriarchaler Tötungsdelikte beschlossen hat.
Immer wieder müssen wir erleben, dass Frauen insbesondere in / nach Trennungssituationen nicht geschützt sind - obwohl sie Behörden über Gewalt und Drohungen informiert und das Gewaltschutzgesetz in Anspruch genommen haben.
(Versuchte) Tötungen stellen die schwerste Form geschlechtsspezifischer Gewalt dar. Geschlechtsspezifisch meint in dem Fall Tötungsdelikte an Frauen, Kindern und neuen Partnern durch den (Ex-)Partner und Tötungsdelikte an Frauen im Kontext sexualisierter Gewalt und / oder Stalking. Deshalb verpflichtet die Istanbul-Konvention den Vertragsstaat dazu, diese Taten dahingehend zu evaluieren, inwiefern Fehler beim Opferschutz begangen wurden und wie Tötungsdelikte präventiv verhindert werden können:
„Es müssen wirksame Maßnahmen umgesetzt werden, um die schlimmsten Gewalttaten, d.h. Mord oder versuchten Mord, zu verhüten. All diese Fälle sollten aufmerksam untersucht werden, um jeden möglichen Fehler beim Opferschutz festzustellen, damit zusätzliche Präventionsmaßnahmen verbessert und erarbeitet werden.“ Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, Artikel 50, erläuternder Bericht Anmerkung 259.
Tötungsdelikte sind nicht umkehrbar. Dennoch bergen sie ein großes Erkenntnispotential für aktuell bedrohte Personen. Daher ist eine Evaluierung der Maßnahmen zur Verhinderung der begangenen Tötungsdelikte von 2018 – 2023 essentiell in der weiteren Arbeit der Gefahrenabwehr und Unterstützung der Betroffenen.
Ein Entführungsfall in Schleswig-Holstein war nun Anlass für die Landtagsfraktionen, die Aufarbeitung der Tötungsdelikte im Kontext von Partnerschaftsgewalt seit 2018 zu beschließen. Viele dieser Taten haben eine Gemeinsamkeit mit dem Entführungsfall: Es gab massive Gewalt und Bedrohung im Vorfeld der Tat. Entsprechend gab es Interventionen durch verschiedene Institutionen, die sich letztlich als zu wenig wirksam herausgestellt haben. Ziel der Aufarbeitung ist es herauszufinden, welchen Schutzlücken die Betroffenen ausgesetzt waren, um im Anschluss daran zu überlegen: ist das Potential der vorhandenen Maßnahmen und Gesetzen ausgeschöpft worden oder braucht es neue Regelungen, um Frauen besser zu schützen?
Wie kann eine solche Aufarbeitung aussehen?
Aus Sicht der Frauenberatungsstellen erfordert die prozessorientierte, qualitative Aufarbeitung wissenschaftliche Standards und eine Anonymisierung der Ergebnisse. Quellen sind die Akten der involvierten Behörden und Befragungen des involvierten Hilfesystems.
1. Qualifizierung der Fallauswahl
2. Akteneinsicht in den ausgewählten Fällen bei den involvierten Behörden und gegebenenfalls ergänzende Befragung; Befragung des involvierten Hilfesystems.
3. Abgleich der erfolgten Maßnahmen mit den Möglichkeiten der Interventionskette
4. Gegebenenfalls Erhebung der Gründe, wenn Maßnahmen von Betroffenen abgelehnt wurden.
5. Fazit: Gibt es Gemeinsamkeiten in den Fällen, aus denen Rückschlüsse auf Schutzlücken bzw. noch nicht gehobenen Schutzpotentialen gezogen werden können?