Ab jetzt startet das systematische Gefährdungsmanagement
Bisher standen datenschutzrechtliche Bedenken einer Übernahme erfolgreicher Gefährdungsmanagement-Modelle im Weg. Nach einer Änderung des Landesverwaltungsgesetzes konnten nun zwei Pilotprojekte starten.
Fast an jedem dritten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Solche Tötungsdelikte passieren nicht aus heiterem Himmel, sondern haben oft eine Vorgeschichte häuslicher Gewalt. In vielen Fällen wissen Polizei, Jugendämter, Beratungsstellen oder Krankenhäuser von häuslicher Gewalt. Einer Studie zufolge waren sie bei jedem zweiten Tötungsdelikt im Voraus involviert. Dabei stellt sich die Frage: Hätten die Gewalttaten verhindert werden können, wenn die beteiligten Institutionen und Einrichtungen ihr Wissen untereinander ausgetauscht hätten und rechtzeitig interveniert hätten?
Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen: Wenn sich alle beteiligten Institutionen im Rahmen von interdisziplinären Fallkonferenzen austauschen, kann eine bessere Sicherheitsplanung stattfinden, um schwere Gewalteskalationen oder Tötungsdelikte zu verhindern.
Bisher standen datenschutzrechtliche Bedenken einer Übernahme erfolgreicher Gefährdungsmanagement-Modelle im Weg. Doch Gesetze, die Gewaltschutz verhindern, sind nicht in Stein gemeißelt. Und so wurde im Anschluss an einen Fachtag des SCHIFF-Projekts kurzerhand das Landesverwaltungsgesetz geändert. Eine Erweiterung des §201a LVwG ermöglicht nun einen Datenaustausch von Polizei und Nichtregierungsorganisationen zum Schutz vor schwerer Gewalt.
Damit stand der Umsetzung eines interdisziplinären Gefährdungsmanagements nichts mehr im Weg. Seit März wird es nun in zwei Pilotregionen erprobt. Das bedeutet, in den Polizeidirektionen Flensburg und Ratzeburg werden bei jedem Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt Instrumente zur systematischen Gefährdungsanalyse eingesetzt. Ergeben die Analysetools eine hohe Gefahr eines Tötungsdelikts, wird von einem Hochrisiko-Fall ausgegangen und eine Fallkonferenz einberufen.
Die Pilotprojekte haben eine Laufzeit von sechs Monaten. Nach einer Evaluation soll das Gefährdungsmanagement dann landesweit eingeführt werden.
Sie sind akut von Gewalt und Bedrohung betroffen oder kennen eine betroffene Person in Ihrem Umfeld? Gefährdung wird auch jetzt schon von Beratungsstellen und der Polizei festgestellt, eingeordnet und Maßnahmen zum Schutz empfohlen bzw. eingeleitet. Hier finden Sie eine passende Beratungsstelle in Schleswig-Holstein.