Jetzt Pflicht: Gewaltschutz in öffentlichen Institutionen

Ob Kita, Schule oder Einrichtung für Geflüchtete: Wo im öffentlichen Auftrag mit Menschen gearbeitet wird, verlangt die Istanbul-Konvention eine besondere Verantwortung. Gewaltschutzkonzepte sind geeignete Mittel, diese Verantwortung wahrzunehmen. Wie können sie jetzt etabliert werden?

Ob Kita, Schule oder Einrichtung für Geflüchtete: Wo im öffentlichen Auftrag mit Menschen gearbeitet wird, verlangt die Istanbul-Konvention eine besondere Verantwortung. Gewaltschutzkonzepte sind geeignete Mittel, diese Verantwortung wahrzunehmen. Wie können sie jetzt etabliert werden?

In öffentlichen Institutionen, in der Begleitung von Menschen unterschiedlichster Altersgruppen und sozio-kultureller Hintergründe, bestehen wechselseitige Abhängigkeiten und zum Teil große Machtgefälle. Sind sich die Beteiligten hierüber bewusst, können sie verantwortungsvoll agieren und Strukturen schaffen, die Machtmissbrauch und die Ausübung von (sexualisierter) Gewalt möglichst verhindern.  Fördern die Strukturen einer Organisation Gewalt, weil es z. B. keinen Dialog über Machtverhältnisse und den Umgang damit gibt oder die Ungleichheit noch unnötig verstärkt wird, sprechen wir von struktureller Gewalt.

Glücklicherweise hat jede Organisation die Möglichkeit, präventiv gegen Gewalt im eigenen Haus zu wirken, indem sie Menschenrechte, Gleichstellung, Schutz vor Diskriminierung und Gewalt institutionell zum Thema machen. Im Kern heißt das zum Beispiel für eine Schule, mit allen Beteiligten von der Schulrektorin über die Schüler*innen, Eltern bis hin zu Ehrenamtlichen oder Hausmeister*innen gemeinsam die Frage zu beantworten: Wie wollen wir miteinander umgehen? Was ist für uns Gewalt? Wo sind unsere Grenzen und wie achten wir auf selbige? Was passiert, wenn doch Gewalt ausgeübt wird? Gibt es in unserer Institution Räume, die Täter*innenstrategien begünstigen? Die Antworten können dann in den Satzungen, Leitbildern und Prozessen der Institution mit aufgenommen werden. Ebenso können leicht verständliche Anleitungen dafür entstehen, was zu tun ist, wenn Gewalt geschieht. Das sind die sogenannten Interventionsketten. All dies sind Elemente von Gewaltschutzkonzepten.

In Schleswig-Holstein sind Gewaltschutzkonzepte z. B. in Schulen, Jugend- und Behindertenhilfe, Arbeitsstätten sowie Behörden und Vereinen und auch Einrichtungen für Geflüchtete aus unserer Sicht unabdingbar. Leider haben diese Institutionen noch zu wenig personelle und finanzielle Ressourcen, um Gewaltschutzkonzepte zu etablieren. Ebenso gilt es, für diese Gewaltschutzkonzepte zu werben.

Die Istanbul-Konvention benennt den strukturellen Charakter von Gewalt gegen Mädchen und Frauen (Präambel) und schlägt einige Bestandteile von Gewaltschutzkonzepten vor, die geeignet sind, Frauen und Kinder strukturell vor Gewalt zu schützen. Die Vertragsstaaten sind beispielsweise verpflichtet, die Grundsätze der Gleichstellung von Frauen und Männern, der nicht stereotypen Geschlechterrollen, des gegenseitigen Respekts und der gewaltfreien Lösung von Konflikten in zwischenmenschlichen Beziehungen im Bildungssystem und in informellen Bildungsstrukturen wie Vereinen, Religionsgemeinschaften, Kultur- und Freizeiteinrichtungen zu fördern. Zudem schreibt die Konvention dem Staat vor, dafür Sorge zu tragen, dass Gewalt gegen Frauen nicht von im Auftrag des Staates handelnden Personen begangen wird.

Hieraus lässt sich ableiten, dass struktureller Gewaltschutz zur Förderbedingung für öffentliche Mittel wird. Damit wären nicht nur Schulen, Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Einrichtungen der Jugendhilfe und Einrichtungen für Geflüchtete, sondern auch viele ehrenamtliche Institutionen angesprochen. Ebenso ließe sich daraus ableiten, dass die Nutzung öffentlicher Räume und Flächen, z. B. Turnhallen, Schwimmbäder, Sportplätze, Schulen, Jugendzentren etc. an die Vorlage eines Gewaltschutzkonzeptes gebunden ist.

Sind Sie an der Entscheidung über die Vergabe von öffentlichen Mitteln beteiligt? Machen Sie Gewaltschutzkonzepte zur Förderbedingung bzw. nehmen Sie sie in die Nutzungsordnungen öffentlicher Räumlichkeiten auf. Laden Sie geförderte Institutionen zum Gespräch über strukturellen Gewaltschutz ein und fragen Sie sie nach Unterstützungsbedarf.

Sind Sie verantwortlich für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben? Zum Beispiel den Betrieb einer Schule, eines Kindergartens, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung oder einer Geflüchtetenunterkunft? Machen Sie Gewaltschutz mit allen Beteiligten in Ihrer Institution zum Thema. Beziehen Sie haupt- und ehrenamtlich Handelnde sowie Nutzer*innen in Ihre Überlegungen mit ein. Unterstützung finden Sie bei den Facheinrichtungen für Gewaltschutz. Im Kreis Stormarn werden zum Beispiel derzeit Gewaltschutzkonzepte an Schulen etabliert. Die notwendigen Ressourcen können gemeinsam mit anderen beim Kostenträger eingeworben werden.  

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