Drama gehört ins Theater, nicht in die Zeitung
Durchschnittlich drei Mal pro Woche tötet in Deutschland ein Mann seine (Ex-)Partnerin. Warum wollen wir in diesem Zusammenhang nie wieder von einem „Familiendrama“ hören und lesen?
Durchschnittlich drei Mal pro Woche tötet in Deutschland ein Mann seine (Ex-)Partnerin. Warum wollen wir in diesem Zusammenhang nie wieder von einem „Familiendrama“ hören und lesen?
Medienerzeugnisse über Gewalt an Frauen sind immer noch von Klischees und Verharmlosungen geprägt. Das beginnt bereits bei vielen leider allzu gängigen Formulierungen, die Gewalt verschleiern, und wird fortgesetzt in der geringen Reichweite der Berichterstattung. Überschriften in den Regionalteilen der Zeitung wie „Familientragödie“, „Beziehungstat“, „Eifersuchtsdrama“ legen nahe, die Tötung von Frauen und oftmals ihren Kindern durch Partner oder Ex-Partner würde aus rein persönlichen Motiven begangen. Die Assoziation bei Lesenden dürfte sein: „Streit kommt in den besten Familien vor“ und „eifersüchtig ist jeder mal“. Das Ergebnis ist bestenfalls Mitleid mit den Betroffenen und ihrem vermeintlich tragischen Einzelschicksal. Eine überregionale Berichterstattung findet meist nur dann statt, wenn der mutmaßliche Täter kein Deutscher ist, oder andere Umstände der Tat besonderes Aufsehen erregen.
Dass es sich nicht um Einzelschicksale handelt, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem, wird deutlich, wenn wir die Häufung dieser Fälle überregional betrachten. Die hohe Anzahl der Tötungen von Frauen und die Ähnlichkeit der Konstellationen machen deutlich, dass es sich um patriarchale Gewalt handelt. Patriarchale Gewalt beruht auf männlicher Dominanz und Kontrolle über Frauen. Sie beginnt bei geschlechtsspezifischer Diskriminierung und führt – am anderen Ende der Skala – zur Tötung von Frauen durch Männer, die ihre Besitzansprüche durchsetzen wollen.
Die Istanbul-Konvention hebt nicht nur diesen Zusammenhang hervor, sondern auch die wichtige Rolle, die Medien für die gesellschaftliche Bewusstseinsbildung spielen. Die Konvention betont, dass sie einen Beitrag zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen leisten können. Die Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen und Mädchen kann auf deren strukturelle Dimension und dementsprechenden Handlungsbedarf hinweisen. Selbstverständlich erkennt die Istanbul-Konvention die Unabhängigkeit der Medien an. Sie verpflichtet aber die Staaten, Medienschaffende zu ermutigen, sich an der Förderung von Gleichstellung zu beteiligen und Berichterstattung über Gewalt sensationsfrei zu gestalten.
Sie sind als Journalist*in, Redakteur*in oder Presseagentur für die Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen verantwortlich? Hinterfragen Sie übliche Formulierungen und benennen Sie die Tat möglichst konkret. Achten sie darauf, dass Gewalt gegen Frauen nicht als individuelles Problem erscheint. Verdeutlichen Sie stattdessen, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt. Unterscheiden Sie zwischen Ursache und Auslöser einer Tat, damit nicht die Perspektive des Täters übernommen wird.