Ab jetzt ist es amtlich: Deutschland muss mehr tun!

Der Bericht des Expert*innengremiums GREVIO zum Umsetzungsstand der Istanbul-Konvention in Deutschland macht deutlich: Bund, Länder und Kommunen müssen noch einige Hausaufgaben machen.

Endlich ist er da! Der Bericht des Expert*innengremiums GREVIO zum Umsetzungsstand der Istanbul-Konvention in Deutschland. Der im Oktober 2022 erschienene Evaluierungsbericht basiert unter anderem auf einem Staatenbericht, 10 Schattenberichten von NGOs und einem Staatenbesuch im September 2021. Die Evaluierung zeigt deutlich: Bund, Länder und Kommunen müssen noch einige Hausaufgaben machen.

Die Expert*innen weisen auf gravierende Mängel bei Gleichstellung und Gewaltschutz hin. Sie bemängeln insbesondere das Fehlen einer bundesweiten Koordinierungsstelle und nationalen Strategie gegen Gewalt an Frauen. Nicht überraschend ist, dass das Fehlen ausreichender Frauenhausplätze einen zentralen Platz in der Evaluation einnimmt. Für besonders gefährdet hält GREVIO geflüchtete Frauen, die in Sammelunterkünften oftmals weder abschließbare Sanitäranlagen noch geschlechtergetrennte Schlafräume hätten. Dringenden Handlungsbedarf sieht GREVIO im Bereich Umgangs- und Sorgerecht. Die Sicherheit von Frauen und ihren Kindern werde durch Umgangsregelungen zum Teil gefährdet. Familiengerichte und Jugendämter übersähen die negativen Auswirkungen des Miterlebens von Gewalt auf Kinder. Der Bericht unterstreicht, dass weitreichende Forschung zu den Ursachen und Dynamiken von Gewalt vorhanden sei, es jedoch an der flächendeckenden Umsetzung dieser Erkenntnisse fehle.

Aber keine Sorge, es läuft nicht alles schlecht in Deutschland. GREVIO verweist auf eine Vielzahl vielversprechender, regionaler Projekte und Maßnahmen. Nicht wenige davon kommen aus Schleswig-Holstein: Die Finanzierung von Frauenfacheinrichtungen über das Finanzausgleichsgesetz wird als bundesweit einmaliges Modell hervorgehoben.

Als wichtiges Instrument gegen sekundäre Viktimisierung Betroffener vor Gericht benennt die Kommission die Videovernehmung von Zeug*innen. In Schleswig-Holstein wurde jeder Gerichtsbezirk mit der entsprechenden technischen Ausstattung versorgt und das Oberlandesgericht bietet Fortbildungen zu ihrer Anwendung.

Auch die Entwicklungen rund um die Etablierung eines Hochrisiko-Managements finden Erwähnung.

Was uns im LFSH-Team besonders freut: Zwei SCHIFF-Projekte haben es als Best-Practice Beispiele in den Bericht geschafft. Der in der AG 35 erarbeitete Leitfaden zur Anwendung des Pressekodex auf Gewalt gegen Frauen  und unsere Studie zum Einfluss von Berichterstattung auf Einstelllungen zu Gewalt.

Ab jetzt – wie geht es weiter? Das Vertragsstaatenkomitee aus Regierungsvertreter*innen aller Vertragsstaaten beschließt nun auf Grundlage des GREVIO-Berichts Empfehlungen über zu treffende Maßnahmen in den jeweiligen Vertragsstaaten.

Dabei werden die Empfehlungen priorisiert und ihre Umsetzung überwacht. Innerhalb von drei Jahren muss der Vertragsstaat seiner Berichtlegungspflicht nachkommen und deutlich machen, wie er die besonders dringlichen Empfehlungen umgesetzt hat.

Weitere Informationen:

Die deutschsprachige Zusammenfassung (6 Seiten) finden Sie hier.

Die deutschsprachige Fassung des kompletten Berichts finden Sie hier.