Ab jetzt arbeiten wir Hand in Hand für ein Gefährdungsmanagement in Schleswig-Holstein
Allein in den letzten drei Jahren wurden in Schleswig-Holstein 40 Frauen durch einen (Ex-)Partner getötet. Wie können solche Taten verhindert werden? Institutionenübergreifendes Gefährdungsmanagement kann Teil der Antwort sein.
Allein in den letzten drei Jahren wurden in Schleswig-Holstein 40 Frauen durch einen (Ex-)Partner getötet.* Wie können solche Taten verhindert werden? Institutionenübergreifendes Gefährdungsmanagement kann Teil der Antwort sein.
Schwere Gewalttaten und Tötungsdelikte an Frauen durch Partner oder Ex-Partner haben zumeist eine Vorgeschichte mit eskalierender Gewalt. Es wird davon ausgegangen, dass in mindestens der Hälfte der Fälle Polizei, Behörden, Beratungsstellen oder medizinischer Bereich im Voraus involviert waren.
Das bietet einen Anknüpfungspunkt für die Verhinderung von Gewalt: Wenn Hinweise aus unterschiedlichen Institutionen zusammengetragen werden, können sogenannte Hochrisikofälle besser identifiziert werden.
Ein Hochrisikofall ist anzunehmen, wenn die konkrete Gefahr der Begehung eines Tötungsdeliktes besteht. Anhaltspunkte dafür sind z.B., dass der Gefährder konkrete und ernst zu nehmende Todesdrohungen geäußert hat und in der Vergangenheit bereits schwere Gewalt ausgeübt hat. Zusätzliche Stressfaktoren wie z.B. Umgangsregelungen oder eine anstehende endgültige Trennung erhöhen eine Eskalationswahrscheinlichkeit.
Je größer das Wissen über die aktuelle Situation und ihre Vorgeschichte, desto besser kann die Gefährdungslage eingeschätzt werden. Deshalb ist es wichtig, dass alle relevanten Informationen zusammengetragen werden. Auf Grundlage der Gefährdungseinschätzung kann dann wirksam interveniert werden, um die Sicherheit Betroffener, ihrer Kinder und weiterer Dritter (wieder) herzustellen.
Die Istanbul-Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, geeignete standardisierte Maßnahmen der Gefährdungsanalyse und des institutionsübergreifenden Gefährdungsmanagements zu installieren (IK, Art. 51). Bisher wird diese Verpflichtung in Schleswig-Holstein noch nicht erfüllt.
Mit einem Fachtag in Bad Oldesloe am 6. August begann jetzt die Initiierung eines Fachkräftenetzwerks aus Polizei, Frauenfacheinrichtungen und Jugendamt in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg.
Gleichstellungs- und Innenministerin Dr. Sütterlin-Waack eröffnete den Fachtag „Dieser Tag kann der Startschuss für eine neue Form des Dialogs sein, von dem wir alle profitieren werden.“
Referent*innen der Landespolizei Rheinland-Pfalz gaben einen Einblick in ihre Praxis, in der bereits regelhaft mit Konzepten zum Hochrisikomanagement bei Partnergewalt gearbeitet wird. Auch aus Osnabrück wurde berichtet: Bei interinstitutionellen Fallkonferenzen kommen neben der Polizei Vertreter*innen aus dem Hilfsnetzwerk, des Jugendamtes, der Waffenbehörde, des sozialpsychiatrischen Dienstes zusammen.
Höchste Zeit, auch in Schleswig-Holstein aktiv zu werden. So wurde auf dem anschließenden Podium nicht das Ob sondern das Wie eines Gefährdungsmanagements diskutiert. Eine der drängendsten Fragen der Beteiligten ist die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften bei den Fallkonferenzen: Wie können wir Gefährdung abwenden, wenn keine Schweigepflichtsentbindungen vorliegen? Hierzu möchte das Innenministerium eine Lösung erarbeiten. Am Ende der Veranstaltung liegt Aufbruch in der Luft. Die Beteiligten sind sich einig: das Gefährdungsmanagement wird kommen.
Sie sind akut von Gewalt und Bedrohung betroffen oder kennen eine betroffene Person in Ihrem Umfeld? Gefährdung wird auch jetzt schon von Beratungsstellen und der Polizei festgestellt, eingeordnet und Maßnahmen zum Schutz empfohlen bzw. eingeleitet. Hier finden Sie eine passende Beratungsstelle in Schleswig-Holstein. Beim gemeinsamen Gefährdungsmanagement im Artikel handelt es sich um eine Zusammenführung dieser Arbeit von unterschiedlichen Institutionen.
*Wie viele Kinder im Kontext von Partnergewalt getötet wurden oder einen Elternteil verlieren, wird noch immer nicht polizeilich erfasst.